uwe

war jahrelang biobauer, arbeitet heute als therapeut. hier ein paar gedanken zur erde.

 


LAND WIE AUSGEDACHT

 


Ich bin immer schon mit Land verbunden gewesen. Egal, wo ich gelebt hab, ich hab immer ein Gefühl zum Land. Zur Beschaffenheit der Erde meine ich. Ich kann zu jedem Boden sagen, ob ich den mag oder nicht. Dass mein Vater zum Beispiel in dieser Kölner Erde liegt... - alles, was ich da an Erde gesehen hab, in Köln, fand ich gruselig. Würd ich nicht reinfassen, furchtbar. Wie Hundescheiße. Aber diese Erde hier, diese torfige Erde oder wenn die schon aufgegangen ist, kultiviert, diese schwarze, leichte Erde, diese lockere, tieftiefschwarze Erde - die könnt ich fressen.

 

Moor. Das ist nur organische Masse, da findest du keinen Stein und kein Sandkorn. Im Moor fühlt man anders.
Vielleicht weil das Mineralische fehlt. Also das, was Struktur gibt, was Strahlung reflektiert. Moor hat was Unendliches, Durchdringendes. Moor ist geheimnisvoll, unbegreiflich, fremd irgendwie. Da gibt es Landschaften, die sind wie ausgedacht: Seen, unberührte, stille Seen, mit Schwimmrasen.


Im Moor bist du ja wirklich völlig einsam, da ist ja nichts, kein Haus, kein Mensch, nichts. Ich mag das Moor, schon diesen Duft, riecht süßlicher da. Einmal war ich im Moor, hab ne Wiese geheut, also das gestreute Gras zu Schwaden gerichtet und ich mach ne Pause, lehn mich an den warmen Trecker, rauche und plötzlich merke ich wie die Vögel verstummen. Hitze, vollkommene Windstille, blauer Himmel und auf einmal krieg ich Schiss und weiß nicht warum. Ganz komisch, aus dem Nichts. So Unbehagen, das kommt manchmal im Moor. Aber plötzlich hatte ich Angst, echte Angst. Dann merke ich, wie sich hinter mir ne Windhose aufbaut, zehn, zwölf Meter hoch. Und die nimmt in nem Quadrat von vielleicht fünfzig Metern das Heu aus dem Feld hoch, dreht sich, wirbelt, steht wie ein mächtiger Baum. Gekommen aus dem Nichts. Unheimlich, gruselig, echt: Ich bin auf den Trecker und nur weg, weg.
Stark organische Erde ist für mich schon sehr anziehend. Die mag ich riechen, die mag ich anfassen. Wenn ich mit der Hand das Gemüse mache, dann öffnet diese Erde ihre Ohren für mich. Man hat ja manchmal im Leben Gespräche bei denen bleibt das Gefühl, dass man nicht alles sagen konnte oder man hat sich nicht durchgesetzt oder so. Dann geh ich in den Garten und hacke die Möhren. Dann kann ich alles sagen, was ich will. Diese Erde provoziert mich, die will das ich ihr was reingebe. Das ist die Aufnahmefähigkeit dieser organischen Erde, da kann man zerfließen.


In diesem Moor gibts nur eine dünne schwarze Schicht, die kultiviert worden ist. Mühselig verbessert und zu relativ gutem Boden gemacht. Darunter Torf und zwischendurch, so aderig, Schichten von reinem Ton. Das hat mir gefallen, hat mich herausgefordert, diese dünne Schicht an fruchtbarem Boden zu umsorgen. Und Methoden zu finden, mit denen man dazu beiträgt, dass der wertvolle Boden wächst. Wie das Leben darin wächst. Davor habe ich Respekt, vor der Arbeit von Generationen von Menschen, die diesem Boden, diesem feindlichen Land, das ja eigentlich gar kein richtiges Land ist, zwei Meter unter Null, was die dem abgerungen haben.

 

Pflügen überhaupt ist was Heiliges für mich. Ganz zentral in der Menschwerdung übrigens: Das hat uns ja erst erlaubt, an einem Ort zu wohnen. Du nimmst Land in Besitz. Du machst den Grund auf eine fast mystische Art jungfräulich. Du machst ihn wund, du kehrst ihn um. Und wie das riecht, wie das duftet! Lebendige Erde duftet besser als das beste Parfum! Und der Boden ist dann so verletzlich, liegt da wie eine offene Wunde. Schwarz und in einer unglaublichen Schönheit. Gleichmäßig, feucht und speckig. Unglaublich schön. Und im selben Moment spürst du deine Verantwortung. Du hast da was aufgerissen, du hast ne Wunde gerissen. Was machst du jetzt damit? Du musst dich kümmern.

 

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Kommentare: 5
  • #1

    indi (Montag, 01 September 2008 23:02)

    ...danke für die letzten worte...wahrheit tut weh...wahrheit heilt...

  • #2

    jens (Montag, 08 September 2008 21:16)

    wunderbar. so nah, so ursprünglich. leider selten.

  • #3

    jule (Montag, 15 September 2008 19:09)

    die bilder find ich mal krass^^
    und der text is auch toll

  • #4

    jutta (Donnerstag, 15 Januar 2009)

    krasse kunden, was sie nicht alles erleben .. würde auch gern solche gechichten erzählen können

  • #5

    luna (Mittwoch, 21 Januar 2009 22:33)

    hi, lieber uwe :-)

    schön, deine gedanken und gefühle, nein, mehr als das...unio mystica.... alles ist eins.... alles ein traum...