matthias e.
Matthias ist Gartenbauer und Landschaftsarchitekt. Er hat eine Baulücke in der Stadt entdeckt und sie zurück erobert. Mit Freunden hat er einen Verein gegründet und die LAGUNE geschaffen. Einen kleinen, wilden, naturnahen Garten mitten in der Stadt, in einem Wohngebiet, auf einer brach liegenden Fläche.
ORT OHNE ZIEL
Verändern. Ja, schon. Wenn das was verändern würde, was wir hier so machen, das wär natürlich gut. Natürlich muss es auch um Veränderung gehen.
Ich glaube, die Menschen sollten wieder mehr mit ihren Händen arbeiten, das Handwerk schätzen lernen. Ich glaube, das genau könnte der Weg sein, diese Nachhaltigkeitsproblematik zu lösen, vielleicht der einzige Weg: indem Menschen mit der körperlichen Energie, die sie haben, das schaffen, was sie zum Leben brauchen. Das, was du brauchst, kannst du dir eigentlich mit deinen Händen besorgen. Da wohnt meine Hoffnung, dass wir darüber zur Besinnung kommen. Diese Maschinerie ewig voran zu treiben, das kann es einfach nicht sein.
Auch im Gartenbau nicht nur Betongeklopfe: mit Naturmaterialien zu bauen, mit heimischen Wildpflanzen zu gestalten, das ist der Kern der naturnahen Gartengestaltung. Am Ende entstehen herrliche Lebensräume, also Biotope, in denen sich Menschen und Tiere gleichzeitig wohlfühlen. Und das ist eben auch genau das, was wir in der Lagune wollen. Und wir versuchen Aktionen zu machen und sie draußen stattfinden zu lassen, die Natur greif- und erlebbar zu machen, Menschen, vor allem Kinder in unsere Lagune zu bringen.
Das ist ja eine Privatfläche, eine Baulücke, wenn man so will, mitten im Kiez, hier in der Krämpfervorstadt. Wir sind da zu Anfang durch den Zaun gekrochen, um uns umzusehen, verbotenerweise. Wir
haben das Potential gesehen und sind den offiziellen Weg gegangen, sind auf die Stadt zugegangen und haben schließlich tatsächlich eine Zusage für unser Projekt gekriegt. Dann gings los und wir haben
unser erstes Naturgartenfest gefeiert. Jetzt sind wir schon im dritten Jahr.
Früher hab ich gar nicht verstanden, was der Goethe immer mit seiner Natur wollte, aber je älter ich werde, desto mehr kann ich es nachempfinden: Es sind eben doch nicht nur die Menschen, die einem
das geben, was man braucht. An Lebenskraft und Reflexionsfläche. Es ist einfach wichtig, rausgehen zu können, mit sich allein zu sein und eben, ja, mit der Natur. Ich komme zur Ruhe, ich muss nicht
stundenlang rumsitzen und nachdenken, ich kann machen und gucken und fühlen. Ist mir auch einfach wichtig, handwerklich zu arbeiten, das ist ein Grundbedürfnis für mich, Seelenausgleich.
Du musst dich in die Pflanze reindenken und verstehen, welche Standortfaktoren braucht eine Pflanze, welche Pflanzen können neben und mit dieser Pflanze gut wachsen und passen dann eben auch noch
gestalterisch in das Konzept. Sowas lernt man als Landschaftsarchitekt auch nicht im Studium. Dafür braucht man jahrelange Erfahrung und Umgang mit den Pflanzen, das kann man nicht am Schreibtisch
lernen. Theorie ist natürlich auch wichtig, du musst planen können, Vorbereitungen treffen, aber du musst eben auch einfach wissen, wie die Pflanzen ticken. Und das fasziniert mich: die Praxis zu
bewältigen, die einfachen, eigentlich grundlegenden handwerklichen Dinge zu beherrschen. Ein großer Traum von mir ist, ein Haus mit eigenen Händen zu bauen.
Ich lasse auch gern mal ein paar Pflegegänge aus, dann steht das Unkraut hier so hoch und man hat plötzlich das Gefühl, jetzt ist die Natur am gesündesten. Wenn du dann umgräbst, dann wuselt es nur
von Bodenleben, das ist unglaublich, dann tobt hier das Leben. Und alle Eingriffe, die du machst, bringen das aus dem Gleichgewicht. Ein permanent geharkter Boden ist ja praktisch tot, irgendwann.
Wir sollten uns als Menschen mehr zurücknehmen. Klar, wir sind mit unserem Geist in der Lage zu gestalten, schöne Orte zu schaffen, aber mit so viel Behutsamkeit, dass die Natur ihr Erscheinungsbild
erhalten kann.
Ich komme aus einer klassischen Lehrerfamilie, wahrscheinlich hab ich mir einfach gedacht: das kannst du auf keinen Fall auch machen, jetzt mache ich eben Gärten. Stimmt aber auch nicht ganz, ich bin gerade dabei, mein Umweltpädagogikstudium abzuschließen. Wahrscheinlich komme ich um das Lehrerdasein einfach nicht ganz drum herum.
Erziehung ist vor allem Vorbildwirkung und Unternehmung. Erziehung ist das tägliche Leben. Ich will nicht tagtäglich im Kopf haben: ich bin Pädagoge, ich muss Kinder erziehen. Ich hoffe, das Kinder
einfach dadurch lernen, dass sie mit Erwachsenen gemeinsam tun. Und nicht so: ihr seid die Kinder und ich bin der, der es weiß. Das hat mich am Pädagogikberuf immer schon abgeschreckt. Warum gibt es
nicht viel mehr Leute, die einfach mit den Kindern Sachen machen und die Kinder lernen dabei. Es gibt ja schon ne Reihe Reformprojekte, trotzdem ists noch lang hin. Ich mach mich schon mal auf den
Weg. Und die Lagune ist dafür einfach ein Ort. Ein Ort ohne Ziel, ein Ort, um einfach da zu sein. Ein Ort, zu dem man einladen kann: Komm her! Mach mit! Hier kannst du Gemüse anbauen oder einfach nur
im Liegestuhl rumhängen, kannst dir die Natur angucken, einfach abschalten, dich auf die Suche machen, ruhig auch nach dir selbst.
Kommentar schreiben
Oster (Mittwoch, 12 November 2008 21:50)
ich weiß garnicht, was die Menschen immer damit haben, zu sich selbst zu finden, sich selbst zu suchen, Selbsterkenntnis zu gewinnen oder was auch immer selbst...Gibt es da etwas, was ich nicht kenne oder ist mir da etwas selbstverständlich, was anderen abgeht oder ist das alles nur ein Schmarren? Ich kann mir unter "selbst" absolut nichts vorstellen.